Kommentar von Günter Wagner

In Deutschland gibt es derzeit ca. 4,8 Millionen Menschen, die ihre Angehörigen zuhause pflegen. Salopp gesagt handelt es sich hierbei um den größten Pflegedienst Deutschlands. Dass die Pflege von Angehörigen sehr erfüllend, aber natürlich auch physisch und psychisch sehr anstrengend sein kann, weiß auch der Gesetzgeber. Daher gibt es für pflegende Angehörige eine Reihe von Entlastungsleistungen – angefangen von Schulungen und Beratungen bis hin zur sogenannten „Verhinderungspflege“ nach § 39 SGB XI als wichtigste Leistung.

Senioren blickt skeptisch Pflegerin an

Verhinderungspflege – was ist das überhaupt?

Der Anspruch auf Verhinderungspflege ist im elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) in § 39 geregelt. Dort heißt es:

„Ist eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr.“

Voraussetzung für den Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI ist ein Pflegegrad von zwei bis fünf und eine Vorpflegezeit von sechs Monaten. Das bedeutet, dass auch Pflegebedürftige, die bereits sechs Monate vor Antragstellung auf einen Pflegegrad gepflegt wurden und dies nachweisen können, Anspruch auf Verhinderungspflege haben.

Finanzielle Unterstützung für die Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI

Jährlich stehen dafür jedem Pflegebedürftigen 1612 Euro zur Verfügung. Dieses Geld kann auch noch aufgestockt werden, wenn im selben Jahr keine Kurzzeitpflege stattgefunden hat. Der Betrag erhöht sich dann um 806 Euro und beträgt maximal 2418 Euro im Jahr. Der Anspruch kann nicht auf das nächste Jahr übertragen und somit summiert werden. Er sollte also jährlich aufgebraucht werden, sonst verfällt er.

Es gäbe jetzt noch eine Fülle von Zusätzen, Nachträgen und auch Einschränkungen (z. B. wenn Verwandte bis zum zweiten Grad pflegen), die aber den Rahmen hier sprengen würden. Wenn Sie also Verhinderungspflege in Anspruch nehmen möchten, so wenden Sie sich am besten an den Pflegedienst Ihres Vertrauens und lassen sich gezielt entsprechend Ihren Bedürfnissen Auskunft geben.

Verhinderungspflege bisher

Bei aller Bürokratie, welche sämtliche Belange der Pflegeversicherung massiv durchdringt und sie für den Laien undurchschaubar werden lässt, gab es doch bisher eine sichere und sehr unbürokratische Vorgehensweise bei der Verhinderungspflege. Sie durfte ohne vorherigen Antrag in Anspruch genommen werden. Das ist eigentlich auch klar, denn der Anspruch ergibt sich aus dem Gesetzestext und kann nicht einfach abgelehnt werden. Hierzu geben auch die Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes klar vor:
„Anspruchsvoraussetzung ist nicht, dass die Leistung im Voraus beantragt wird.“

Verhinderungspflege heute

Damit scheint es jetzt vorbei zu sein. Willkürlich bestimmen Krankenkassen seit ein paar Monaten, dass Verhinderungspflege nur gezahlt wird, wenn vorher ein Antrag vom Pflegebedürftigen gestellt wurde. Das Kalkül der Pflegekassen ist so klar wie unmenschlich. Natürlich wissen diese, dass mit der Forderung und der Installierung einer weiteren bürokratischen Hürde mindestens 80 Prozent der Pflegebedürftigen auf einen Widerspruch verzichten werden.

Auf diese Weise wird mit den pflegenden Angehörigen, die den Kassen alleine mit ihrer aufopferungsvollen Tätigkeit viele Millionen sparen, weiterer Reibach gemacht. Gesetzestreue, Humanität oder gar Mitgefühl sind in den Bürostuben der Pflegekassen nicht vorgesehen, wenn ein paar Euro gespart werden können. Seit Jahren schon nehmen die Kassen das Wort „Verhinderungspflege“ sehr ernst: Sie versuchen, Pflege zu verhindern, um damit die 20 Prozent Verwaltungskosten zu finanzieren, die sie selbst und ihre Vorstände jährlich verbrauchen.

Wir von der Pflegezentrale helfen Ihnen gerne dabei, gegen jeden Ablehnungsbescheid gerichtlich vorzugehen, denn es ist an der Zeit, dem willkürlichen Treiben der Kassen ein Ende zu bereiten.

Im Übrigen: Wenn schon ein Antrag verlangt wird, dann dürfte dieser nach § 45 SGB 1 auch erst vier Jahre nach in Inanspruchnahme der Leistung gestellt werden. Aber das verschweigen die Kassen natürlich in ihren Ablehnungsbescheiden.

Schau-Diagramm Verhinderungspflege