30 Jahre Pflegezentrale – Gemeinsam mit unserem Firmengründer Günter Wagner blicken wir zurück auf drei ereignisreiche Jahrzehnte.

Lieber Günter, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Wenn du zurückschaust auf 30 Jahre Pflegezentrale: Welche Entwicklungen waren die bedeutensten?

Am bedeutensten war sicherlich die Einführung der Pflegeversicherung 1995. Damit änderte sich alles. Die ambulante Pflege rückte wesentlich mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Vorher wusste kaum jemand, was ein Pflegedienst ist. Wir stellten an die Patienten Rechnungen und diese wurden dann dem Patienten von den Kassen erstattet.

Portrait Günter Wagner

Danach wurde alles wesentlich bürokratischer und auch eingeengter für die ambulante Pflege. Wenn man 1992 im Finanzamt anrief und nachfragte, wie ein Pflegedienst eigentlich versteuert wird, musste man dem Beamten erst einmal erklären, was ein Pflegedienst ist.

Was würdest du sagen, war früher anders in der Pflege als heute?
Was war vor 30 Jahren besser? Was ist heute besser?

Als wir vor 35 Jahren unsere Ausbildung machten, haben wir „Therapien“ gelernt, für die man heute ins Gefängnis kommen würde. Es hat sich also analog zum medizinischen Fortschritt auch die Pflege massiv wissenschaftlich weiterentwickelt. Es gibt heute Pflegestandards, auf die man zurückgreifen kann und die von Pflegewissenschaftlern entwickelt wurden. Das gab es vor 30 Jahren noch nicht. Vor 30 Jahren gab es nur sehr wenige private ambulante Pflegedienste. Und da wir nur wenige waren, gab es auch nur wenig Misstrauen uns gegenüber. Die Zusammenarbeit untereinander und mit den Kassen war dadurch einfach vertrauensvoller. Der wirtschaftliche und zeitliche Druck war geringer. Das änderte sich schlagartig mit Einführung der Pflegeversicherung, weil dadurch die Bürokratie das Ruder übernommen hatte. Mittlerweile wird jeder Pflegedienst einmal jährlich vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)  überprüft und folgerichtig spielt auch bei diesen Prüfungen die Bürokratie eine wesentliche Rolle. Ich kann gar nicht richtig sagen, was heute besser ist als früher. Klar ist, dass heute definitiv alles komplett anders ist, als vor 30 Jahren.

Was hat sich in 30 Jahren alles getan? Wie habt ihr angefangen und wo steht ihr jetzt?

Wir gründeten 1991 in München. Die Pflegezentrale wurde als Einzelfirma, als GbR, als GmbH und im Rahmen eines Großkonzerns geführt. Einmal setzten meine Frau und ich ein Jahr aus, daher ist die 30 Jahr Feier auch im Jahre 2022. Wir schrieben damals alles auf Schreibmaschine und kauften 1993 auf Beratung eines Freundes, der Informatik studierte, den ersten PC. Der Freund empfahl uns, einen PC mit 20 MB Speicher (ich rede nicht von Arbeitsspeicher) zu kaufen. Nicht 10 MB, denn damit, meinte er, wären wir auf Jahre hinweg abgedeckt. Wir hatten einen Anrufbeantworter und einen Piepser, der uns anfunkte, wenn jemand auf AB gesprochen hatte. Damit garantierten wir die rund um die Uhr Erreichbarkeit. Meinen Entschluss, ein erstes sehr klobiges Handy zu kaufen, fasste ich auf der Wiesn. Der Piepser hatte mich angefunkt und ich machte mich auf die Suche nach einer Telefonzelle, um den Anrufbeantworter abzufragen. Nach halbstündigen Anstellen kam ich dran. Auf dem AB war die Nachricht: „Ach ihr seid gar nicht da. Dann rufe ich später wieder an“. Damit war klar, dass der Wiesn Besuch beendet war.

Das war die technische Seite. Menschlich erlebten wir alle Höhen und Tiefen, die man mit einer Firma erleben kann. Wir schlossen uns bereits 1992 mit einem weiteren Pflegedienst in München zusammen, um uns etwas Freizeit gönnen zu können. Ab 1994 machten wir wieder allein weiter, dann als GmbH. In der Folgezeit arbeitete ich in vielen sozialen Gremien der Stadt München mit und war zwei Jahre Vorstand des Berufsverbandes für Freie Pflegekräfte in Bayern. Wir waren Mitbegründer des Zentralrufes Münchner Pflegedienste. Im Jahre 2000 übergaben wir den Pflegedienst an einen anderen Pflegedienstinhaber und machten eine Auszeit. Ab Mitte 2001 fingen wir erneut an und schlossen uns 2004 mit der DKV Krankenversicherung zusammen. Meine Frau gründete in dieser Zeit auch die Firma „Hausnotruf München“. Ab 2007 beendeten wir die Zusammenarbeit und machten in Geretsried wieder alleine weiter. Wir betreuten lange Zeit nur eine Patientin aus Arabien.

Ab 2015 begannen wir, wieder einen „normalen“ ambulanten Dienst aufzubauen und hatten binnen zwei Jahren achtzig MitarbeiterInnen. Jetzt haben wir zwei Büros in Geretsried. Mit der ambulanten Pflege, der Mehrstundenpflege, der Kurzzeitpflege-daheim! und der ambulanten Wohngemeinschaft in Dietramszell haben wir ein umfassendes Portfolio, um alle pflegebedürftigen Menschen betreuen zu können. Seit Mitte 2018 wird der Betrieb durch unseren Geschäftsführer Stefan Schleicher geführt und wir haben uns größtenteils aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen. Unser Sohn Maximilian hatte schon viele Jahre in der Pflege gearbeitet und im Oktober 2021 die dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen. Seit März 2022 arbeitet er in der Pflegezentrale mit. Meine Frau und ich haben uns trotz der oftmals sehr anstrengenden Jahre viele Träume verwirklicht. Sei es mit großen Reisen oder auch im kulturellen Bereich. Jetzt ist die nächste Generation dran.

Welche großen Veränderungen der Pflegebranche habt ihr erlebt?

Zum einen natürlich die Einführung der Pflegeversicherung. Mit ihr vervielfachte sich der bürokratische Aufwand.
Zum anderen sind wir mittlerweile vollkommen digitalisiert. Leider bringt die Digitalisierung nicht viel, weil nahezu jedes Schriftstück noch in analoger Form gefordert wird. Im Jahre 1998 waren 95% unserer Mitarbeiter dreijährig examiniert. Heute gibt es in der Pflege vor Ort fast keine examinierten Kräfte mehr - schon gar nicht aus Deutschland. Die Pflege an sich hat sich stärker professionalisiert. Es gibt Studiengänge zur Pflege. Dennoch ist der Pflegenotstand wesentlich größer als in den Neunziger Jahren. Eigentlich schade, denn der Beruf an sich ist erfüllend und vor allem sehr sinnvoll. Aber in unserer Gesellschaft gilt nun einmal, dass je wichtiger eine Tätigkeit für die Gesellschaft ist, desto weniger wird sie bezahlt.

Gibt es etwas, was du dir aus der Zeit vor 30 Jahren zurückwünschen würdest?

Vor 32 Jahren packten meine Frau und ich unsere Rucksäcke und fuhren für ein Jahr rund um die Welt. Irgendwo an einem thailändischen Strand kam die Idee, die pflegebedürftigen Menschen zuhause zu besuchen und dort zu pflegen. Wir dachten, die Idee wäre einzigartig. Das war eine wirklich freie und unwiederbringbare Zeit. Wenn, dann würde ich mir diese Zeit zurückwünschen. Von der Pflegezentrale vor 30 Jahren wünsche ich mir eigentlich nichts zurück. Die Dinge entwickeln sich einfach. Und auf das Team, das wir heute haben, sind wir wirklich stolz. Das möchten wir gegen nichts eintauschen.

Und nun die wichtigste Frage: Wird das Jubiläum zünftig gefeiert?

Auf jeden Fall! Anfang Oktober werden wir unsere Pflegezentrale auf ihre 30 Jahre hochleben lassen.