F. Lieber Stefan, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, und uns Rede und Antwort stehst. Welche Maßnahmen wurden in der akuten Corona-Zeit ergriffen, um Patienten und Mitarbeiter zu schützen?
A. Wir haben sehr frühzeitig neben einem Notfallplan auch ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht: Um den Kontakt untereinander auf ein nötiges Minimum zu reduzieren, haben wir z.B. alle Touren zeitversetzt beginnen lassen. Zudem haben wir für Covid19-Verdachtsfälle eine separate „Quarantäne-Tour“ bereitgestellt. Diese wurde von ausschließlich zwei Mitarbeitern bedient, die sonst keinen Kontakt zu weiteren Kunden hatten. Die Bürobesetzung wurde ebenfalls auf ein Minimum reduziert und auch hier eine Art Schichtdienst implementiert. Wenn möglich, konnte jederzeit im Home-Office gearbeitet werden. Die technische Ausstattung ist vorhanden. Wir arbeiten prinzipiell schon nahezu vollständig digital, da war die Kommunikation über die firmeneigene Plattform keine große Umstellung für alle Kolleginnen und Kollegen. Zudem hielten wir alle Team-Meetings und Fortbildungen virtuell ab. Unser extra eingerichtetes „Kontakttelefon“, bedient von Inhaberin Daniela Wagner persönlich, rundete unser umfassendes Maßnahmenpaket ab.
F. Gab es kritische Situationen, die den Tagesablauf in der Pflege beeinträchtigt haben?
A. Der „Kampf“ um ausreichend Schutzkleidung war schon sehr anstrengend. Zudem raubten mir die täglich eingehenden, widersprüchlichen Aussagen von Gesundheitsamt, Robert-Koch-Institut und Berufsverband den letzten Nerv. Ich als Geschäftsführer der Pflegezentrale sehe mich in erster Linie verantwortlich für das Wohlergehen meiner Kolleginnen und Kollegen, sowie all unserer Kunden – Hierzu zählt natürlich deren Gesundheit. Und eben genau hier fühlte ich mich von den zuvor genannten Stellen nicht nur alleine gelassen, sondern teilweise sogar in meiner Arbeit blockiert.
F. Wie werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Krisensituation von der Pflegezentrale unterstützt?
A. Zu Beginn der Krise – als es noch keine Kontakt- und Ausgangsbeschränkung gab, die Schulen und Kindergärten aber bereits geschlossen hatten, haben wir „Home-Schooling“ in der Pflegezentrale ermöglicht. Eine Kinderbetreuung war in Planung, da kam uns dann aber die Ausgangsbeschränkung zuvor. Desweitern konnten wir uns auf eine überwältigende Unterstützung erfreuen, denn wir erhielten von unzähligen Menschen selbstgenähte sogenannte „Communitiy-Masken“. Am Ende waren es 100 Stück innerhalb von 14 Tagen. Das hat mich persönlich schwer beeindruckt. Somit konnten wir unser gesamtes Team mit ausreichend Masken versorgen. Und dann gab es natürlich noch den bayerischen Pflegebonus in Höhe von bis zu 500€ pro Pflegekraft (hier unterstützten wir bei der Antragsstellung) und die Verpflegungspauschale pro Mitarbeiter/in inHöhe von 130€ pro Monat. Diese pauschale durften wir 1:1 steuerfrei über die Lohnabrechnung an jeden einzelnen Mitarbeiter auszahlen. So konnten wir nicht nur kostenlose Verpflegung unserer Kolleginnen und Kollegen garantieren, sondern auch noch die regionalen Anbieter unterstützen.
F. Welche Chancen sehen Sie in dieser Zeit? Wird sich (vor allem in der Pflegebranche) etwas verändern?
A. Ich hoffe sehr, dass sich in der Pflegebranche endlich etwas verändern wird. In dieser Krisenzeit haben wir gesehen, wie unbürokratisch die relevanten Kernprozesse der häuslichen Pflege – als Beispiel Verordnungs- und Genehmigungsmanagement und Abrechnung von Leistungen gegenüber Kranken- und Pflegekassen – eigentlich sein könnten. Alle Beteiligten des Gesundheitssystems sollten diese Chance wahrnehmen und die gesamte Pflege durch Digitalisierung der Kernprozesse wieder menschlicher machen! So könnten wir es gemeinsam schaffen eine ähnlich menschliche Versorgung wie unsere Nachbarn in den Niederlanden zu gewährleisten! Hierzu ist es allerdings notwendig, dass die Krankenkassen offener gegenüber der Digitalisierung werden und nicht weiter an einem Rahmenvertrag aus dem Jahre 2005 festhalten!
F. Was Sie noch sagen möchten:
A. In erster Linie möchte ich mich bei allen meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken! Danke, dass Ihr gemeinsam den Dienst aufrechterhalten habt und die Versorgung aller unserer Kunden auch in dieser doch sehr speziellen und herausfordernden Zeit sichergestellt habt. Ihr habt mit Eurem Einsatz einen noch größeren Beitrag für die Gesellschaft geleistet, als sonst schon. Ich bin sehr dankbar, Teil dieses tollen Teams zu sein! Und an dieser Stelle auch vielen Dank an unsere Kunden und allen Angehörigen: Ohne die große Kompromissbereitschaft bei z.B. Versorgungszeiten wäre es uns nicht möglich gewesen, die Krise so professionell zu meistern. Als kleines Dankeschön habe ich mir schon was Tolles überlegt – lasst Euch überraschen!
Vielen Dank für das Interview!
Anmerkung der Redaktion: das Interview wurde für die Q2-Ausgabe unserer Pflegezentrale-Zeitung geführt. Die gesamte Ausgabe können Sie hier herunterladen.