Corona hat uns hart getroffen, Corona hat uns wieder verlassen. Zumindest in unserem Landkreis Bad Tölz/ Wolfratshausen. Seit heute (Stand 10.6.) gibt es keinen einzigen erkrankten Corona-Patienten.  Wir dürfen uns erleichtert auf die Schultern klopfen. Die Bürger dieses Landes haben die wirklich immensen Freiheits­einschränkungen der letzten Monate diszipliniert eingehalten. 

Obwohl einige fast alles verloren haben, was sie sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten mühsam aufgebaut haben. 

Im Pflegedienst gab es zwar harte Kämpfe mit den Gesundheitsbehörden, aber wir konnten wenigstens unsere wirtschaftliche Basis halten. Keiner musste in Kurzarbeit geschickt oder entlassen werden. Man muss fast sagen: Glück gehabt! Denn es muss die Frage erlaubt sein, warum es nach wie vor für Pflegedienste und auch Altenheime zu wenig Schutzkittel und Schutzmasken gibt. Über die Hälfte der Corona-Toten starben in den Heimen. Eine Folge mangelnder Ausrüstung. Hätten wir als Pflegedienst nur 3 oder 4 Corona-Patienten gleichzeitig versorgen müssen, wäre über die Hälfte unserer Kollegen in Quarantäne geschickt worden und die andere Hälfte hätte weitermachen müssen- natürlich ohne Schutzmaßnahmen und mit dem täglichen Risiko der Erkrankung. 

Schon ganz am Anfang der Krise stellten wir die Frage an das Gesundheitsamt, warum denn diejenigen mit Schutzausrüstung versorgt werden, die auf Patienten warten (Krankenhäuser) und nicht diejenigen, die täglich zu Hunderten von Hochrisikopatienten gehen (Pflegedienste). „Anweisung von oben“, hieß es. Unsere weitere Frage, ob „da oben“ vielleicht Leute sitzen, deren Sicht nicht durch Fachkenntnis getrübt ist, wurde nicht mehr beantwortet. 

Schlechteste Erfahrungen haben wir im Umgang mit den Corona-Tests gemacht. Während das Testen an sich relativ schnell organisiert wurde, warteten wir auf die Testergebnisse länger als 8 Tage. Das ist natürlich bei einer Epidemie das Schlimmste, was passieren kann. Denn ein Mensch hat viele Kontakte im Laufe des Tages oder besser gesagt, im Laufe der Tage. Da ist der Virusausbreitung Tür und Tor geöffnet. Auch viele Experten sind daher mittlerweile der Meinung, dass die Tests und vor allem die schnellen Testergebnisse mit anschließender Verfolgung der Infektionskette die wirkungsvollste Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie ist. Noch vor Kontaktsperren und Abstandsregeln. 

Was wird die Zukunft bringen? Schmerzlich vermisst man einen klaren Plan der Staatsregierung. Gehandelt wird von einem Tag auf den anderen. Immer mehr Künstler oder auch Restaurantbesitzer, Kleinunternehmer werden so in die Insolvenz getrieben. Natürlich gibt es Rettungsschirme von fast nicht mehr vorstellbarer Größe. Dennoch kommt beim Einzelnen oft zu wenig fürs Überleben an. Alle reden vom Umdenken, Neuordnung, nichts wird mehr so sein wie vorher! Aber was bedeutet das genau? Umdenken in finanzieller Hinsicht würde für mich bedeuten, sich das Geld nicht immer nur beim braven Steuerzahler zu holen, sondern auch mal dort, wo die großen illegalen Summen liegen: Auf bereits beobachteten Geldwäschekonten zum Beispiel liegen anscheinend Milliarden von Euro. Einfache Lösung: einfrieren, abheben, verteilen! Einer etwaigen Anzeige durch die Mafia würde ich als Staatsoberhaupt relativ gelassen entgegensehen. 

Wo steht denn geschrieben, dass der Durchschnittsverdiener in Deutschland mehr Steuern zahlen muss, als der gesamte Apple Konzern? Warum gibt es noch immer keine Steuer auf Finanztransaktionen, welche der Europäischen Union Milliarden, wenn nicht Billionen einbringen würde? Warum bekommt die Lufthansa 9 Milliarden Euro vom Staat- also von uns – ohne ihre Steueroase in Panama aufgeben zu müssen?

Das ist alles nichts Neues und dennoch wäre gerade jetzt eine gute Zeit, zu handeln und damit vielleicht die größten wirtschaftlichen Schäden ab-zuwenden, indem man einfach Gelder verwendet, die sowieso dem Staat gehören und seit Jahrzehnten brach liegen.

Eine weitere große Zukunftsfrage drängt sich auf: Durch den Corona Stillstand hat sich unsere Umwelt messbar erholt. Die Luft ist sauberer, der CO2 Ausstoß erheblich verringert und im Canale Grande in Venedig sieht man Fische. Es ist eine gute Zeit fürs Klima und für die Natur. Nicht mal „Friday for Future“ hätte einen so tiefen Einschnitt in den Co2 Ausstoß in so kurzer Zeit zustande bringen können. 

Jetzt wird der Lockdown Schritt für Schritt weltweit gelockert und die wichtigsten Maßnahmen sind auch in Deutschland, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Wir werden aufgefordert, wieder möglichst viel zu konsumieren, möglichst viel zu fliegen, zu verreisen zu kaufen. Durch Anreize wie die Mehrwertsteuersenkung (Gottseidank keine Kaufprämie für Autos) sollen wir möglichst schnell den Status Quo von vor Corona wiederherstellen. Dies bedeutet aber auch, dass wir in gleichem Maße den Umweltstatus von vor Corona wiederherstellen und damit unseren Planeten weiter zerstören. Wie sollen wir also die dringlichsten Probleme wie Artensterben, Klimawandel, Plastikmüll in den Griff kriegen, wenn unser gesamtes Wirtschaftssystem nur dann funktioniert, wenn wir weiter- und zwar immer mehr – konsumieren, wenn also Wirtschafts- und Konsumwachstum die wichtigste Säule unseres Wohlstandes und unserer Freiheit ist? 

Die Regeln des westlichen Kapitalismus besagen, dass derjenige, der am schnellsten und billigsten produziert, am meisten belohnt wird. Es ist bei diesen Regeln völlig unbedeutend, ob dabei die Umwelt belastet oder zerstört wird, oder Menschen dabei versklavt werden. Es wird also derjenige mit Wohlstand belohnt, der den Amazonas Regenwald niederbrennt, weil er dann günstig Soja und Rindfleisch verkaufen kann. Wer Schiffe kauft und baut, die mit Schweröl die Luft unermesslich verpesten, wird belohnt, weil er niedrige Treibstoffkosten hat, die seinen Profit erhöhen. Wer Jeans mit Kinderarbeit in Bangladesch herstellen lässt, wird belohnt, indem er bei KIK seine Ware zu billigsten Preisen anbieten kann und damit mehr verkauft als andere. 

Wenn wir eine Zukunft auf diesem Planeten haben wollen, ist es die dringlichste Aufgabe der Staatsoberhäupter dieser Welt, diese Regeln zu ändern. Sie also genau ins Gegenteil umzudrehen. Mit Wohlstand belohnt werden muss derjenige, der nachhaltig und fair produziert. Wenn keine Waren aus Brasilien eingeführt werden dürften, wäre der Brand des Regenwaldes schnell gelöscht!

Es ist nicht die Aufgabe der Verbraucher, die immer so gerne nach vorne geschoben werden, sich stundenlang im Supermarkt aufzuhalten und mit der Lupe zu kontrollieren, was fair getradet und was nach besten Umweltstandards hergestellt wurde. Dafür haben wir Regierungen gewählt, welche entsprechende Gesetze verabschieden müssen. Beim Rauschgifthandel werden ja schließlich auch die Dealer zur Verantwortung gezogen und nicht die Konsumenten. 

Auch das hat uns die Corona-Krise gelehrt: Es schadet nichts, sich die Zeit zunehmen, einfach mal innezuhalten und über die Zukunft nachzudenken, anstatt im Hamsterrad weiterzulaufen. 

Anmerkung der Redaktion: der Artikel wurde ursprünglich in der Q2-Ausgabe unserer Pflegezentrale-Zeitung veröffentlicht. Die gesamte Ausgabe können Sie hier herunterladen.