Ein Interview mit Mitarbeiterin Yvonne Maily vom Christophorus Hospizverein Bad Tölz-Wolfratshausen.
Wir kooperieren eng mit dem Christophorus Hospizverein in Geretsried, der Menschen auf ihrem letzten Lebensweg begleitet und deren Angehörige unterstützt. In diesem Interview gibt uns Yvonne Maily vom Christophorus Hospizverein einen Einblick in die vielseitigen Aufgaben des Vereins, die Herausforderungen der Hospizarbeit und die Bedeutung einer frühzeitigen Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben. Sie spricht über die berührenden Momente in der Begleitung von Patient*innen und die wichtige Rolle, die der Hospizverein in dieser sensiblen Lebensphase spielt.
Können Sie zum Einstieg kurz erklären, wie die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Hospizverein und der Pflegezentrale Wagner aussieht?
Gerne. Wir arbeiten schon seit einigen Jahren im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung sehr gerne mit der Pflegezentrale Wagner zusammen. Wenn dort ein Bedarf für eine Hospizbegleitung gesehen wird, stellt die Pflegezentrale den Kontakt zu uns her und wir schauen, wie wir helfen können. Unsere Angebote stehen sowohl den Patient*innen und ihren Angehörigen als auch dem Personal der Pflegezentrale Wagner zur Verfügung. Wenn es da zum Beispiel Fragen gibt oder Entscheidungen zu treffen sind, die schwierig sind.
Jetzt zu Ihrem Verein: Was genau macht der Verein in seiner Arbeit?
Unsere Arbeit stützt sich auf mehrere Säulen. Erstens, die ehrenamtlichen Hospizbegleiter und -begleiterinnen, die Patienten zu Hause, im Pflegeheim oder auf der Palliativstation besuchen. Wir betreuen Menschen aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und bieten psychosoziale Beratung und Begleitung durch unsere hauptamtlichen Koordinatorinnen an.
Zweitens bieten wir Palliativ-Care Pflegeberatungen an. Wir beraten Patient*innen, Angehörige sowie Pflegekräfte zu pflegerisch relevanten Themen, die bei lebensverkürzenden Erkrankungen oder am Lebensende auftreten, wie Mundpflege, Essen und Trinken sowie Symptomkontrolle bei Übelkeit, Atemnot und Schmerzen.
Die dritte Säule umfasst Beratungen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, die jeder Bürger in Anspruch nehmen kann. Diese Beratungen können in unserer Geschäftsstelle oder bei den Menschen zu Hause stattfinden.
Als vierter großer Bereich liegt uns die Trauerarbeit am Herzen. Hier bieten wir Einzelgespräche, Trauergruppen, Trauerspaziergänge und ein Trauercafé an. Außerdem führen wir Fortbildungen für Pflegekräfte und Betreuer durch, um sie in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Und zu guter Letzt versuchen wir kontinuierlich, das Thema Sterben und Tod ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Projekte wie „Hospiz und Schule“ oder unsere „Letzte-Hilfe-Kurse“ tragen dazu bei. In Schulen geben wir den Schüler*innn Input und beantworten ihre Fragen, was oft zu intensiven Gesprächen über eigene Erfahrungen führt. Die „Letzte-Hilfe-Kurse“ vermitteln Basiswissen und einfache Handgriffe für Angehörige, die sich auf den Tod eines nahen Menschen vorbereiten möchten.
Wie kann man Ihren Verein nutzen und kostet die Begleitung etwas?
Unsere Angebote sind für die Nutzenden kostenfrei. Nach einem ersten Anruf kommen unsere hauptamtlichen Koordinatorinnen zu einem Hausbesuch, um die Situation des Patienten und seiner Familie einzuschätzen. Wir besprechen Symptome, Krankheitsverarbeitung, soziale Einbindung, Ängste und Vorstellungen vom Tod. Danach planen wir die weitere Versorgung und sehen, was oder wen es braucht, um die Wünsche des Patienten zu erfüllen.
Was genau machen die Hospizbegleiter dann vor Ort mit den Patienten?
Unsere ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen bringen Zeit und vor allem eine Absichtslosigkeit mit – sie sind einfach da für die Menschen. Sie führen mit ihnen Gespräche, z.B. über biografische Themen oder tiefere Gespräche über Sterben und Tod, Ängste und Belastungen. Auf Wunsch gehen sie auch mit den Patienten spazieren, machen kleine Ausflüge oder sitzen einfach nur am Bett, um den Angehörigen Freiraum zu geben.
Wie viel Zeit bringt ein ehrenamtlicher Hospizbegleiter mit und wie häufig kommt er oder sie?
Anfangs kommen die Hospizbegleiter*innen meist einmal in der Woche für ein bis zwei Stunden. Das kann sich je nach Bedarf und Möglichkeiten des Begleiters ändern, besonders in den letzten Tagen und Wochen vor dem Tod, wenn die Besuche häufiger werden.
Wie wird man ehrenamtliche*r Hospizbegleiter*in – kann das jeder machen?
Im Prinzip ja, bei uns können Menschen aus ganz verschiedenen Berufsbereichen Hospizbegleiter*innen werden. Wir bieten alle zwei Jahre eine Ausbildung an, die ein Jahr dauert. Das findet berufsbegleitend über mehrere Wochenenden statt, also in mehreren Blöcken sowie einem längeren Praktikumseinsatz. Nach diesem Jahr gibt es ein Zertifikat, und die Hospizbegleiter*innen werden weiterhin von uns begleitet und erhalten Supervision.
Wie ist die Nachfrage? Brauchen Sie mehr Ehrenamtliche?
Das Interesse, bei uns aktiv zu sein, ist groß. Da sind Menschen unterschiedlichen Alters, mit ganz verschiedenen beruflichen Hintergründen, Frauen und Männer. wir können diese Verschiedenheit gut brauchen und einsetzen. In der Regel können wir allen Anfragenden ein oder manchmal zwei Ehrenamtliche zur Seite stellen. Wo wir zunehmend Bedarf sehen, ist in den Alten- und Pflegheimen. Da möchten wir gerne weitere Menschen gewinnen, die sich als Hospizbegleiter*innen engagieren.
Wie schafft man es ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen, innere Distanz zu wahren und das Erlebte nicht zu sehr mit nach Hause zu nehmen?
Dafür ist die Ausbildung da. Man lernt, Nähe und Distanz zu halten und sich selbst zu schützen. In der Ausbildung und durch Supervisionen wird vermittelt, wie man mit Belastungen umgeht und was man beim Patient*innen lässt. Ehrenamtliche haben regelmäßig Supervisionstermine und können immer Unterstützung von uns erhalten. Es ist ein Prozess, und manchmal gelingt es besser, manchmal weniger, aber das ist Teil der Arbeit. Wir schätzen unsere Ehrenamtlichen sehr und tun alles, um sie zu unterstützen und zu begleiten. Unsere Arbeit mag manchmal herausfordernd sein, aber sie ist auch unglaublich erfüllend.
Möchten Sie ein besonderes Erlebnis teilen?
Ja, kürzlich hatten wir eine alleinstehende Dame mit Migrationshintergrund, deren Familie weit entfernt lebt. Anfangs war sie wütend und ablehnend, aber nach einigen Besuchen der Hospizbegleiterin öffnete sie sich und sprach über ihre Vergangenheit, Ängste und Schuldgefühle. Die emotionale Last wurde weniger, sie gewann neuen Lebensmut und ließ irgendwann auch wieder Familienbesuche zu. Das zeigt, wie viel schon ein paar Stunden pro Woche bewirken können.
Was würden Sie sich im Umgang mit dem Tod in der Gesellschaft wünschen?
Ich finde es schade, dass das Wort Hospiz Berührungsängste auslöst und die Menschen uns oft erst spät kontaktieren. Dabei könnten wir schon sehr früh stabilisierend für die Patient*innen und ihr soziales Umfeld da sein. Unsere Arbeit hat zwar mit Sterben, Tod und Trauer zu tun, aber der Fokus liegt auf dem Leben und der Lebensqualität. In diesem Zusammenhang gefällt mir das sehr schöne Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“.
Vielen Dank Frau Maily.